Was ist für Euch der schönste Moment, wenn ihr ein Kleidungsstück näht? Ist es die Minute, kurz bevor ihr die letzte Naht setzt? Oder ist es der Zuschnitt und damit verbunden die Vorstellung, wie das Kleidungsstück wohl fertig aussehen wird? Oder die Gewissheit, dass dieses Mal genau der richtige Stoff auf den dafür perfekten Schnitt trifft? Gemeinsam haben all diese Gedanken eins: Sie sind schön. Denn nähen - das ist für viele von uns längst mehr als ein reines Hobby. Es ist Entspannung. Es ist Freude. Es ist Handwerk. Kurzum: #nähenisttoll.
#nähenisttoll - aber leider nicht für alle Menschen auf der Welt. Wie muss dieser Hashtag, den wir alle oft und gerne benutzen, auf jemanden wirken, der tagtäglich mit der Näherei ausgebeutet wird? Der für einen Hungerlohn in einer alten, staubigen, dreckigen, viel zu engen und stickigen Fabrik irgendwo in Asien eine Naht nach der anderen setzen muss? Stundenlang. Jeden Tag. Im Akkord. Damit hier in Europa, in Deutschland, ein T-Shirt für drei (!!!) Euro verkauft werden kann. Nein, zehntausend Kilometer entfernt von uns ist nähen nicht toll. Dort ist nähen die Hölle.
Ja, ich weiß - ich erzähle nichts Neues. Und die industrielle Bekleidungsmaschinerie ist groß und mächtig, und wir alle, die regelmäßig shoppen gehen, tragen auf irgendeine Art und Weise leider dazu bei, dass die Maschinerie auch in Zukunft gut geölt wird. Aber: Ist wegschauen eine Lösung? Ignorieren? Gar resignieren? Weil man ohnehin nichts tun kann? NEIN! Ich alleine kann die Maschinerie zwar nicht stoppen. Aber ich kann vielleicht ein klitzekleines bisschen Sand ins Getriebe bringen. Indem ich mich gemeinsam mit vielen anderen Nähbloggerinnen hinstelle und laut sage: "ICH FIND DAS NICHT OKAY!"